nochmal studieren!? why not?!
ein Fernstudium. Psychologie. Weil es mich schon immer interessiert hat.
Ich will nicht mein Gegenüber analysieren. Was mich interessiert ist, warum die ganze Menschheit so agiert wie sie es eben tut. Aber um Psychologie (oder Soziologie, das kam mir zwischenzeitlich auch in den Sinn) zu studieren, braucht man ein vollwertiges Abi. Und noch dazu ein mega gutes.
Aber erstmal auf Anfang.
Ich war nicht auf dem Gymnasium. Warum nicht? Weil mein Lehrer in der vierten Klasse meinen Eltern davon abgeraten hat. Mit anderen Worten: er mochte mich nicht sonderlich. Meine Eltern schon. Was sie aber gesehen haben ist ein bockiges Kind, das sich nichts erklären lassen wollte. Ich hasste Mathe! Ich hasste es, weil es mir nicht so leicht viel, wie all die anderen Fächer. Und ich hasste es, weil alle helfen wollten, ich es aber selbst hinkriegen wollte. Ich hasste es, weil hier meine Noten nicht so wie alle, also wirklich alle anderen waren. Ich hatte nämlich eine grottenschlechte 2. Ja, eine 2. Ich hatte sonst überall eine 1. Ok, außer in Religion, dagegen hab ich mich schon immer etwas gewehrt. Heute mehr denn je. Religion hat für mich eine unheimlich schwere Schuld. Also, natürlich darf jeder glauben an wen er will, aber Religion wollte dafür sorgen, andere auch dazu zu zwingen – und will es teilweise heute noch. Aber das ist ein anderes Thema. Zurück zu Mathe.
Ich kam also erstmal auf die Hauptschule. Hier sollte es sich in zwei Jahren weiter entscheiden; bleibt es die Hauptschule oder wird es die Realschule? Trotz weiterhin lauter Einsen, waren meine Eltern tatsächlich nicht sicher was gut für mich ist. Hat doch der Lehrer in der vierten gemeint, ich taug nix. Meine Lehrerin in der fünften und sechsten hat das Gottseidank anders gesehen! „Wenn Sie ihre Tochter nicht auf die Realschule einschreiben, mach ich es. Sie ist heillos unterfordert!“
Also wurde es die Realschule. Danach die FOS, also Fachoberschule. Und zwar die in München: Rainer-Werne-Fassbinder Fachoberschule für Gestaltung.
Ja, ich bin mit 16 von meinen Eltern ausgezogen und nach München zu meiner Taufpatin gezogen. Ein unheimlicher Schub in Richtung Erwachsenwerden!
Insgeheim wusste ich schon damals, dass das dörfliche Leben da in Geisenfeld nix für mich ist…
Trotzdem ging´s nach der FOS erstmal wieder heim. So recht wusste ich nämlich nicht was ich mit dem Abi jetzt anfangen soll. Psychologie ging ja nicht. Zumindest nicht so einfach. Und da ist gleich mal ein Wurm drin: bisher ging alle super einfach. Die Einsen sind mir quasi zugeflogen, ich musste nichts dafür tun. Jetzt mehr tun? Noch das Voll-Abi nachholen? Ah, ne, das könnte ja nach hinten los gehen.
Ich hab also Zahntechnik gelernt. Bei meinem Papa. Die Lehre dauert 3,5 Jahre. Man kann abkürzen, aber davon wird abgeraten. Jedes Jahr heißt es: dieses Jahr ist besonders wichtig, das kannst du ohne Unterstützung der Lehrer nicht nachholen. Im Letzten hat´s mir dann aber gereicht. Alles war so stupide einfach. Nicht für alle, das ist mir klar, aber mir war wiedermal langweilig und mittlerweile war ich in einem Alter, in dem man dagegen etwas tut – und sich selbst seine Ziele setzt! Ich kürze also ab auf 2,5 Jahre und bestehe die Theorie mit ziemlich guten Noten. Die Praxis nicht, aber ich sehe meine Arbeit, sie ist gut, war besser als viele andere. Nur sieht man es nicht gern, wenn jemand abkürzt. Hätte ja sein können, dass auch meine Theorie schlecht läuft, dann wäre ich durchgefallen, aber eine 1 und eine 4 ergeben immer noch eine akzeptable Note.
Und mittlerweile wusste ich: ich will studieren. Schließlich hab ich das Abi. Und jetzt auch eine Idee.
Fotodesign.
Für die Aufnahmeprüfung musste man sich qualifizieren. Aus ca. 400 Bewerbern wurden 100 ausgewählt, die teilnehmen durften. Beworben hat man sich mit einer Mappe mit Fotoarbeiten. Meine war echt cool 😉 Es gab drei Strecken: der Tagesablauf eines Frosches, das Wort „Stoff“ visualisiert (die Mappe selbst war mit einem Stoffeinband, aber um diesen Stoff ging es dann nicht mehr in den Bildern…) und ich hab sogar meine Vergangenheit als Zahntechnikern verarbeitet, mit Portraits sehr alter Menschen, die mit ihrer Prothese in die Kamera lächeln.
Die Aufnahmeprüfung erstreckte sich auf 2 Tage. Am ersten hatte man Vormittags theoretische Fragen zu beantworten und kreative Aufgaben zu lösen. Eine davon war z.B. aus Papier und Stäbchen etwas architektonisches zu bilden. Wo sich andere verkünstelten, hab ich mir gedacht „ich werd ja nicht Architekt, also was soll das?“ und hab ein Hochhaus gebaut und Papierfetzen daneben gelegt und es 9/11 genannt. Makaber? Vielleicht, aber es war ja nicht lange her. Kreativ und aussagekräftiger als jede Brücke würde ich sagen. Dass sich später eher mein Reportage Stil herausgestellt hat, war fast klar oder?
Danach bekam man ein Thema und sollte mit zuvor gekaufter Einwegkamera loslaufen um dieses Thema zu visualisieren. Am Abend abgeben im Labor, am nächsten Morgen holen und zu einem festgelegten Termin mit zwei weiteren Bewerbern vor drei Professoren die Arbeit vorstellen und verteidigen. Das Thema war „Atmosphäre einer Großstadt“ und meine Bilder zeigten die Fassaden der bekanntesten Kunstausstellungsstätten mit Blick in den Himmel, darunter das Haus der Kunst. Warum, wurde ich gefragt. Naja, einerseits hab ich schon im Vorfeld die Einwegkamera getestet – wir wussten ja, dass das die Aufgabenstellung war – und hab bemerkt wie gut ein blauer Himmel auf den Bildern rüberkommt. Gut, beim Haus der Kunst ist es zugezogen und war grau, aber das passt ja zum Bau. Auch das hat, wie mein 9/11 zum lachen gebracht. Und die anderen stotterten nur, denn ihre Verteidigung der dunklen Aufnahmen sah eher so aus, es auf die Technik zu schieben, weil Einwegkameras halt schlecht sind. Ja, sind sie. Aber man muss mit dem arbeiten können, was man zur Verfügung hat. Dann ist man gut. Dann hebt man sich ab.
Aus 100 Teilnehmern wurden 40 ausgewählt, die dann studieren durften.
Und ich war eine von ihnen.
Und jetzt bin ich hier. Seit 2013 fertige Fotodesignerin. Seit 2011 freiberufliche Fotografin, denn die ersten Jobs kamen schon während des Studiums rein…
Aber die Psychologie… oh, die hat mich nicht losgelassen.
Außerdem merke ich von Jahr zu Jahr wie gerne ich. neues Wissen aufsauge! Aufträge in Forschungslaboren waren meine liebsten. Auch in neue Berufsfelder tauche ich mit Hingabe ein.
Mein Hirn will also mehr. Aber meine Zeit lässt kein Vollzeitstudium zu. Und mein Bankkonto würde mich fragen: studieren oder reisen? Ja… wir kennen die Antwort.
Von Oliver weiß ich aber, es gibt ein Fernstudium, bei dem man pro Modul bezahlt und nicht pro Monat. Das hört sich viel sympathischer an und ich fange an zu recherchieren. Siehe da, die Fernuni Hagen bietet ein Fernstudium in Teilzeit für Psychologie an! Einschreibung immer zum Wintersemester möglich.
Das mach ich!
Und wie das Freude macht! Wahnsinn!
Meinen Job will ich nicht aufgeben. Aber das Studium genieße ich in vollen Zügen und freue mich über meine neuen Hirnwindungen. Die werden nämlich tiefer, je näher man sich mit bestimmten Dingen beschäftigt… Da wo unsere Sensorik für die Hände lokalisiert ist, sind sie tiefer als da, wo unser Rückengefühl sitzt… meine sollen immer tiefer werden. Ich mag das!

