Let´s dance Tango
3 Wochen, Argentinien, Januar/Februar 2018
weil ich seit meinem Südamerika Trip das Gefühl habe, hier gibt es etwas für mich zu tun.
Und das gab es auch!
Die Reise war geplant als Solo-Trip, meine erste Reise so ganz allein, aber allein war ich nie richtig.
Buenos Aires
Gleich nach Ankunft in Buenos Aires hab ich Christian – ein Bekannter vom ersten Besuch in Buenos Aires – gefragt, wo ich heute Abend am Besten auf eine Milonga gehen kann: Maldita Milonga, gleich die Ecke rum bei meinem Hostel 🙂 Super, Abend schonmal verplant. Wie jetzt die Kopfschmerzen wegbekommen? Und die Bestürtztheit darüber, dass Buenos´ Seitenstraßen fürchterlich nach Hundekacke stinken, wenn den ganzen Tag die Sonne scheint – ist letztes Mal nicht aufgefallen, weils halt einfach den ganzen Tag geregnet hat… Hat alles so seine guten und schlechten Seiten. Aber wenn ich zur Begrüßung von der Mietzekatze aus dem Gemüseladen gleich unten am Eck miauend in Empfang genommen werde, dann weiß ich warum ich diese Stadt so mag!!
Eigentlich ging es schon im Flieger gut los: der erste, kurze Flug von München nach Madrid war unglaublich unbequem und zudem schnatterten 2 Mädels schräg hinter mir unentwegt, den ganzen Flug… auf deutsch. Also, gleich beim Aussteigen anquatschen und fragen wo es hingeht: Ramona fliegt weiter nach Buenos Aires um dort ihren Freund nach 1 Jahr endlich wieder zu sehen (wie hält man sowas aus, sag mir das 😉 ) und Moni fliegt nach Chile, trifft sich dort mit einer Freundin und reist danach alleine weiter – bis sie fürs Studium zurück muss und sich in München auf Wohnungssuche begeben muss – hat es mit meiner Empfehlung geklappt?
Ramona begegnet mir noch 2 x (wie geht das?!) spontan in Buenos Aires! Unglaublich, oder?
Gewusst? in Buenos Aires finden mindestens einmal wöchentlich Demonstrationen statt. Ein aufmüpfiges Volk, anscheinend 😉
Meine ersten 2 Nächte verbrachte ich im 4er Bett Zimmer mit Sylvia aus Innsbruck und Jana aus der Tschechei. Beide konnte ich schnell fürs Tango tanzen begeistern, allerdings erst für den zweiten Abend.
Am ersten Abend war ich allein.
Nein, natürlich nicht. Ich war mit vielen anderen erstmal im Kurs super eingebunden und danach kam Christian mit 2 Mädels aus einem anderen Hostel – beide aus England, beide allein unterwegs – und noch 2 seiner Freunde. Ich war in bester Gesellschaft – mein Jetlag hat sich auch kaum bemerkbar gemacht… Aber um halb 3 Nachts war dann Schluss (Maldita Milonga macht zu) 😉
Übrigens: Wer eine Reise nach Buenos Aires plant: die Fahrt vom Flughafen in die Stadt ist ein Hürdenlauf. Mit den öffentlichen Verkehrsmittel braucht man über 2h und muss 2 oder 3 Mal umsteigen. Ja.
Es gibt keine U-Bahn am Airport. Nur Bus. Ja.
mit Bus vom Airport in die City
Tip: ArBus – das private Busunternehmen sitzt am Flughafen direkt wenn man vom Flieger rauskommt, auf McDonalds zugeht, die große Halle zur Rechten – links. Kleiner Schalter. Fahrt nach San Telmo (oder wohin auch immer, der Bus hält an mehreren Stellen, man wird gefragt wo man hin will) kostet umgerechnet ca. 8 € – ein Taxi kostet über 40 € und der Bus fährt genauso schnell (30 Minuten, je nach Verkehr)
—Kosten können stark abweichen, a lá Inflation—
Ich habe die zwei Tage in Buenos Aires sehr genossen – ich fühle mich so wohl in dieser Stadt! Kein Wunder, dass ich nochmal her wollte.
Marcos
Aber, Überraschung: Jan hat einen Flug gebucht, weils zu Hause allein zu langweilig ist. Dann lieber mit mir durch Argentinien reisen. Und ich hab ja auch viel geplant:
Marcos, ebenfalls ein Freund von meiner letzten Reise – bei ihm waren Carina und ich couchsurfen – ist Anwalt und hat allerlei soziale Projekte am laufen; was auch immer ihm gerade einfällt. Zu diesem Zeitpunkt (Nov. 2015) hatte er gerade seine Reise durch ganz Argentinien geplant: Recherche bezüglich der Landwirtschaft in Argentinien, Stichwort Monsanto, Glyphosat… Ich habe ihn vor meiner jetzigen Reise gefragt, ob er nicht eine Idee hat, wie wir sein Projekt mit meiner Lust auf eine gute Fotoreportage verbinden können… Klar, hat er! Was genau habe ich vor?
Mein Plan: ich will nocheinmal nach San Ignazio (Provinz Misiones); nicht etwa wegen der Ruinen – die waren ganz nett, aber zweimal muss man sie sich nicht anschauen, finde ich. Allerdings habe ich damals zusammen mit Carina die deutsche Sozialpädagogin Maria kennengelernt. Maria ist der Grund, warum ich die ganze Zeit den Drang verspüre hier noch einmal hinreisen zu müssen. Sie arbeitet zusammen mit einem Schwesternorden mit den Guaraní, den Ureinwohnern Südamerikas. Ich hätte direkt mit Schwester Anna, aus dem Orden in ein Dorf der Guaraní fahren können, aber sie ist heute morgen los – nächste Woche fährt sie wieder. Ja. Blöd. Darauf können wir nicht warten… Das geht nicht, wenn man nur ein paar Wochen (4 damals insgesamt) unterwegs ist und nicht mehrere Monate. Naja. Es ließ mir keine Ruhe. Ich schrieb eMails, rief an und zuletzt versuchte ich es mit der guten alten Briefpost. Keine Antwort. Hm. Ist ja schon etwas älter… Vielleicht muss ich einfach hinreisen? Allerdings waren die Zweifel doch etwas größer, daher die zweite Option: Marcos.
Marcos gab mir mehrere Kontakte von Leuten, die in der Provinz Misiones ökologisch Anbauen, also ohne Glyphosat. Das interessiert mich auch. Ich wollte ja etwas positives dokumentieren, nicht etwa rührende Bilder von missgebildeten Kindern, sondern so, wie die Welt eben sein kann, wenn wir alle etwas bewusster damit umgehen.
Marcos ist derzeit nicht in Buenos Aires, sondern in Posadas. Das trifft sich eigentlich ganz gut – Posadas liegt in Misiones, die kleine Provinz oben im Nordosten Argentiniens. Da, wo auch San Ignazio liegt.
Als Jan in Buenos Aires ankam gönnen wir uns einen Tag in der Stadt, aber organisieren uns für den nächsten Tag gleich eine Übernachtbusfahrt nach Posadas.
Die Busfahrt ist zu Jans widererwarten äußerst komfortabel – und auf die Minute pünktlich. Bei einer 13h Fahrt nicht mal in Deutschland mit dem Zug zu erwarten…
Posadas selbst ist keine Reise wert. Wir treffen uns mit Marcos, und klären allerlei Fakten bezüglich meiner Reportage, wo wir hinfahren müssen, wo es besonders schön ist, was sich noch so lohnt… Am besten ihr fahrt hier hin, und dort ist es auch toll.
Wir brauchen ein Auto
Leichter gesagt als getan. Es ist Samstag. Die meisten Autovermietungen machen bald zu. Marcos hat uns ein Angebot bei „CLASS RENT“ klargemacht, aber im Internet gibt es bei Avis für etwas mehr Geld ein 4×4 Geländewagen. Das wärs schon wert…
Wir überlegen. Wir hatten unsere kleine Unterkunft nur bis Sonntag morgen gebucht… Wir fahren also Sonntag zur Avis Station am Flughafen. Keiner da. Obwohl die offen haben müssten. Plan wäre gewesen, ein Auto zu mieten, das Gepäck reinzuwerfen und einfach los zu fahren. Ein Zettel an der Tür sagt: no more Cars availabe. Hm. Kann das sein? Wir buchen einfach online.
Sonntag ist es den ganzen Tag am Schütten. Samstag übrigens auch, aber da wir ja noch kein Auto haben müssen wir noch eine Nacht in diesem Kaff bleiben… Montag in der Früh die ernüchternde eMail: Ihre Bestellung wurde storniert, es sind keine Autos mehr verfügbar. Ok. wir sind in Argentinien. Nicht aufregen über die Inkompetenz, Autos online buchbar zu haben, aber keins Vorort! Kann in Deutschland auch passieren… Vielleicht. Naja. Was jetzt? Es ist mit dem Bus möglich, aber unglaublich umkomfortabel, stressig und für Wasserfälle zwischendurch hat man keine Zeit. Übernachtungen müssen besser geplant sein, die Treffen mit den Leuten müssen dann hinhauen, wenn ich da bin. Vermutlich muss man uns abholen…. Ach je.
Ich frage die Dame an der Hotelrezeption, sie spricht relativ gut (und sehr gerne) englisch. Sie ruft bei Class an und organisiert uns zu Marcos Preis (fast) ein Auto! Ein normales zwar, kein 4×4 aber besser als Bus fahren allemal. Wie viel besser erfahren wir erst später…
Der Typ, der uns das Auto bringt spricht kein Wort englisch. Viel weniger, als ich spanisch. Wie gut, dass uns der Zufall in genau dieses Hotel gebracht hat!
Oder: wir hätten das gleich mit Marcos klar machen sollen. Aber man lernt nie aus.
Durchatmen. Wir haben das Auto.
Raus aus Posadas, ab nach San Ignazio – erster Stop.
San Ignazio
In San Ignazio gehen wir in das Restaurant „Don Valentin – Artemio“ in dem ich die Sozialpädagogin Maria kennengelernt habe; nachdem wir von Artemio, einem Schweizer dem das Restaurant gehört angesprochen wurden und er uns Maria vorgestellt hatte. Beide waren nicht da. Ich fragte altmodisch mit einem Bild nach den Beiden. Sein Sohn kam auf mich zu (kein Wort deutsch oder englisch, schon seltsam finde ich, für einen Schweizer Vater… deutsch muss ja nicht sein, aber zumindest eine Zweitsprache… oder seh ich das zu eng?) Naja, mein spanisch reicht, sein Vater kommt erst am Abend. Über Maria konnte ich nichts erfahren. Für sie fuhren wir zu den „Cabanas Donna Anna“ – wäre ich allein und mit dem Bus angereist hätte ich hier eine Nacht gebucht, weil diese Unterkunft von Maria oder eben Schwester Anna aus dem Orden, geführt wird.
Keiner da.
Ich hinterlasse eine Nachricht im Restaurant mit der Bitte, sie an Maria (oder Artemio) zu übergeben. In dieser Nachricht habe ich meine argentinische Nummer (in Posadas für 5€ inkl. 2 GB Internet organisiert, lohnt sich!) notiert und sie darum gebeten, mir zu sagen, ob wir gemeinsam die Guaraní besuchen können.
Wir fahren weiter nach Oberá, eine Stadt in der Mitte von Misiones, auf der Höhe von San Ignazio. Erster Lerneffekt: vielleicht doch lieber auf Mautstraßen fahren. Die Maut kostet fast nix (erfahren wir beim zurückfahren, waren 50ct für das Stückchen) und die Umgehungsstraßen kosten 3x soviel Zeit und ich will garnicht überlegen wieviel mehr Sprit (der ist teuer) – ganz zu schweigen von den Nerven, die man lässt, weil man permanent Angst hat, stecken zu bleiben. 4×4 hätte sich doch gelohnt!
hier kein Glyphosat
In Oberá treffen wir uns mit Erik Barney, Landwirt. Später fahren wir kurz zu Quique und danach sind wir 2 Nächte bei Reto und Javiera auf der Farm La Lechuza. Weiter oben im Norden fahren wir zur Büffelfarm El Hormiguero bei Ruiz de Montoya. Was ich darüber erzählen kann, hab ich in einem Artikel zusammengefasst. Ihr findet ihn unten im Text 🙂 Die Bilder lohnen einen Blick! Es war unglaublich interessant, allerlei neue Erfahrungen, neue Eindrücke und viel neues Wissen – auch für Jan. Er war der beste Begleiter hierfür! Nicht nur, dass er das mit dem Autofahren recht gut beherrscht, er konnte sich bestens mit allen unterhalten während ich fotografierte.
Wasserfälle
Und: ja, Misiones hat nicht nur die Iguazu Fälle sondern allerlei schöne Wasserfälle. Wobei ich auch gern ein zweites Mal zu den Iguazu Fällen gefahren bin 😉 Allerdings hatten Carina und ich mehr Glück: im argentinischen Hochsommer hat es trotz Dauerregen ein paar Tage zuvor, deutlich weniger Wasser an den Fällen. Man konnte nah ran, ohne wirklich nass zu werden. Schade, aber trotzdem schön.
Viel entspannter sind aber kleinere Fälle in Mitten von Misiones; beispielsweise bei Aristobulo del Valle – an den Wasserfällen waren wir zweimal; auf der Hinfahrt eher zufällig und weil wir danach 2x vergleichsweise eher enttäuscht waren sind wir auf der Rückfahrt nochmal da hin – kein Risiko eingehen 😉 der einstündige Wanderweg ist wohl der Garant für etwas mehr Zweisamkeit. Andere kleine Fälle sind direkt erreichbar und voll wie ein Schwimmbad.
Auf dem Rückweg kann ich aber doch noch – endlich – in ein Guaraní Dorf!
Guarani
Enttäuschend.
Traurig.
Wie schon fast befürchtet: so, wie ich mir das erhofft habe, gibt es die Welt nicht mehr. Zumindest nicht in Argentinien.
Die Guaraní, also die Ureinwohner Südamerikas, quasi die hiesigen Indianer, sind ein Wandervolk. Grundlegend eher friedfertig; die Indianer Nordamerikas haben sich im Gegensatz sehr gegen die Einwanderer aus Europa gewehrt. Guaraní ziehen einfach weiter. Immer auf der Suche nach dem „gelobten Land“.
Aber was, wenn es irgendwann kein „weiter“ mehr gibt? Der Walt endet mit dem nächsten Ackerland, die Stadt, große Asphaltstraßen. Es werden weniger Tiere, weniger Pflanzen und damit weniger Lebensgrundlage für die Wanderer, die sich eigentlich ganz vom Dschungel ernähren. Sie sind fast gezwungen sesshaft zu werden. Kein Landwirt überlässt ihnen „sein“ Grundstück.
Die Guaraní beginnen mit Holzschnitzarbeiten, die mittlerweile sehr bekannt sind (vor allem bei Touristen) und machen diese zu Geld, mit dem man sich gemütlich im Supermarkt allerlei Leckereien einfach kaufen kann. Ungesunde Ernährung für einen Körper, der diesen Umschwung sehr abrupt erlebt. Wo wir an kleinen Magenverstimmungen leiden, erfahren Guaraní größere Beschwerden. Der Stammesarzt hat für solche „Krankheiten von außen“ nicht die richtige Medizin, hierfür suchen die Guaraní einen argentinischen Arzt auf. Wie beispielsweise Mechi (Mercedes), die mich in eines der Dörfer mitnimmt, in dem sie und ihre Kollegen regelmäßig sind um die Dorfbewohner zu behandeln.
Ein Teufelskreis. Auch Mechi sagt das. Es ist ein leiser und langsamer Genozid.
Den Kontakt zu Mechi habe ich von Marcos.
Von Maria habe ich nie etwas gehört.
rechts im Bild Mechi mit Töchterchen auf dem Ärztestuhl
argentinische Kids beim Wassermelonen transportieren:
mein Artikel