Nie wieder Chickenrice, bitte
Bangladesch, Sommer/Herbst 2011
knapp 3 Monate, mit Bine, Kommilitonin
ein Semester. Praxissemester. nach Bangladesch!? warum? und wo ist das überhaupt? – genau darum, weil du nicht weißt wo es ist
Bangladesch liegt in Indien.
ja, wir wussten, dass es überbevölkert ist.
ja, wir wussten, dass es muslimisch ist.
ja, wir haben uns auch drauf eingestellt, dass man sich fühlt wie bei uns auf dem Oktoberfest, wegen so vielen Leuten – nur halt nicht betrunken, wegen dem Islam.
aber, nein, dass es so sehr nervt hätten wir nicht gedacht.
es ist laut. und zwar immer. gebimmel und gehupe und rumgeschreie. den. ganzen. Tag.
und der Dreck. und die hygienischen Bedingungen…
Do you have english Toilett?
angefangen mit ca. 21 Impfungen von japanischer Enzephalitis über Hepatitis zu Thyphus und das war noch zu wenig;
weitergeführt mit der ersten Begegnung bangladeschischer Bürokratie in der Botschaft in Berlin – 6 Monate Visum bezahlt, 3 Wochen bekommen – hä? Ja genau. Es ist nämlich so gefährlich da. Ja. Aber wir haben unser Flugticket schon. Und dafür haben wir auch bezahlt. Hm. OK. Wie lange wollt ihr denn? Naja, wie gesagt, 6 Monate. Der Botschafter reißt ungläubig die Augen auf und kichert. Starre Blicke auf unserer Seite.
OK, ihr kriegt 3 – immer hin.
Durch Vichi (Vincenzo Floramo) einem Fotografen, den ich in Thailand kennenlernte den Kontakt zu Munem Wasif aufgebaut – Fotograf aus Bangladesch und Lehrer an der Pathshala School for Photography in Dhaka, Bangladesh.
Wasif organisiert uns ein Zimmer mit Bad in der Wohnung einer Frau. Ihre Hauhaltshilfe ist sehr nett; wir können zwar nur mit Händen und Füßen kommunizieren, aber sie lacht viel über meine Bemühungen in bengali. Die Frau selbst mögen wir weniger gern. Vielleicht wegen der vielen Vögel auf dem Balkon in den viel zu kleinen Käfigen. Vielleicht, weil sie Raccela, ihre Haushaltshilfe gerufen hat wie einen Schwerverbrecher. Vielleicht, weil im Zimmer alle Schränke voll mit dem Krempel ihrer Tochter sind und so kein Platz für unser Zeug ist. Vielleicht, weil sie die Miete auch für die Zeit haben wollte, in der wir noch garnicht da waren; sie musste ja frei halten. Nebenbei war die Miete so oder so viel zu hoch – Wieso? in München sind die Mieten noch höher – ja. IN MÜNCHEN!
Mit Asif (einem Schüler von Wasif) laufen wir durch die Gegend (Dhanmondi), er zeigt uns wo wir essen gehen können und wie man bengalisch isst. Aha. Mit den Händen. Logisch. Erstmal Händewaschen – ich dackel also hinter her zu den Waschräumen. Die rechte (!!!) Hand dreht den Wasserhahn auf, spielt ein bischen mit dem rausplätschernden Wasser rum und dreht den Hahn wieder zu. Die linke Hand sieht weder Wasser noch den Tisch von oben – das ist die unreine Hand, und die hat am Tisch nichts verloren. Ich wasche beide Hände, leider gibts keine Seife also wird unter dem Tisch noch schnell desinfiziert… komisch beäugt werde ich sowieso, aber jetzt wird auch kurz innegehalten und die Gesichtszüge entgleisen: die isst mit der linken Hand!!! Ja. aber ich benutze Klopapier, hab beide Hände gewaschen und … ich weiß nicht, die linke Hand die unreine Hand?!
wir kaufen oft im Supermarkt ein und kochen im Haus. Es ist ganz schön teuer essen zu gehen. So vergleichsweise. Aber ich wollte bengalisches Essen probieren. Naja. Wir sind bald meistens in den Pizza Hut am Eck gelaufen… (ja, Pizza Hut. und Coca Cola gibt es natürlich auch an jeder Ecke…)
2 Pizzen bitte, mittlere Größe. Kellner nickt, geht, kommt zurück.
are you sure? it´s 6 pieces!
yes. i´m hungry.
6 Stück Pizza! ich bitte dich! davon ess ich locker 2… aber wir wollen uns nicht weiter blamieren und geben uns mit 2 Pizzen für 2 Leute zufrieden.
Bengalisches Essen ist meistens einfach nur scharf oder super ölig. Eigentlich immer. Wir haben uns bald im Supermarkt einen verschließbaren Salzstreuer gekauft und den überall mit hin genommen und heimlich das aufgetischte Essen gesalzen. Besser.
in Old Dhaka Freunde gefunden. bei der Frau mit ihrer netten Haushaltshilfe ausgezogen und dort gewohnt.
Apu, you´ve been a really good friend in this time and I always regret, that in the end, I´ve been so ill that I couldn´t think of a better gift then these small bavarian cups we gave you… to live in your families house was the best homebase we could have! it was silent there (except of the mosque, but that´s ok…) and: we had a balcony!!! we could come „home“ and feel free to sit around with you and your sister, your wife and your friends, to chat with all of you, to rest.
that was really good.
thank you.
Aber natürlich mussten wir das Land bereisen.
Von Dhaka nach Khulna, Leute kennengelernt, diese in Magura besucht (Maguuura? ne, Maaagura, damits auch der Busfahrer versteht)
nach Srimangal in die Teefelder, nach Chittagong und Cox´s Bazar.
mit dem Zug gefahren, auf dem Boot gewesen und sogar Fahrräder ausgeliehen. Tuk Tuk gefahren. Und Tuk Tuk gefahren, also selber.
You´ve driven a Tuk Tuk?! But! …you… you are a woman!
So what?
Well… don´t know… bet you´re the first one ever.
Rickshaw fahren gehört täglich dazu, am Anfang ein bisschen gewöhnungsbedürftig; etwas unbeholfen auf dem schmalen Brett hinundher gerutscht, festgehalten, in jeder Kurve und bei jedem Schlagloch gebangt, dass es hält, überlegt ob europäische Hintern zu groß dafür sind. Dran gewöhnt.
Grundsätzlich nehmen wir überall mehr Platz ein als die Einheimischen, wir fühlen uns riesig. Wir sind riesig!
In Khulna Tee an der Straße bestellt. Wie immer in bengali gefragt was es kostet. Wie immer die gleiche Antwort bekommen: 2 Tee, 10 Taka (ca. 10ct) – Große Freude über die bengali-Kenntnisse, mehr ausgepackt – wie heißt du? aha, ich heiße Julia, sie heißt Sabine – ah! Julia! Sabina! jaja, Sabina.
Am nächsten Tag durch den Markt gelaufen und überall unsere Namen gehört…
An einem Tag 3 Reifenpannen gehabt – die erste mit dem Rickshawfahrer, die zweite und dritte jeweils mit dem Bus. Dann haben wir im Lonely Planet gelesen, dass man statistisch gesehen eher bei einem Busunfall in Bangladesch umkommt als bei einem Selbstmordversuch.
Nach Maguuura gewollt und lernen müssen, dass mit der falschen Betonung kein Mensch (und es versammeln sich sehr schnell sehr viele Menschen, die helfen (und kucken) wollen…) versteht, was man will; auch nicht, wenn mans auf der Karte zeigt; auch nicht, wenn man in die richtige Richtung deutet; auch nicht, wenn Maaagura nur zwei Orte weiter ist…
In Dhaka von unserer Gastfamilie zu einer Hochzeit in der Nähe mitgenommen/eingeladen worden. sich über die Plastikbestuhlung gewundert. Und über die Art der Essensausgabe – immer ein paar Familien oder Gruppen gleichzeitig, nicht alle. Und es gibt Chicken Reis (gekochter Reis mit gekochtem Huhn, ölig, ungewürzt). Den kriegt man immer und überall. Immer.
In Srimangal erstmal in ein kleines Café gesetzt – absolut total zufällig kommt der Tourguide der wahrscheinlich einzigen Touristen-Tour-Vermittlung mit seinem jetzigen Touristen ins selbe Café (was für ein Anblick! der Australier wäre auch in Australien wegen seiner Größe aufgefallen, aber hier, wo ich (!!) alle um einen Kopf überrage…. sehr gut) um schon kurz bevor er uns tatsächlich sieht ganz erstaunt zu kucken: oh, ihr hier? wollt ihr auch? ich buch euch eine Tour… na gut. mit Fahrrad? super! endlich mal selber bimmeln können!
nach ein paar Wochen wird es einem zuviel
your country?
germany.
ahhh…! schermaniii…
Ja ja, genau… das kann jeder. Mehr nicht – nicht böse gemeint. Aber hinterherlaufen, vielleicht fällt ihm doch was ein, was er noch fragen kann. Zumindest kann man sich die riesigen zwei Weißen mal genauer ankucken wenn man hinterher läuft. Und wie das halt so ist: wo einer kuckt, da gibt es eben was zu kucken. Passt man nicht auf stellt man hinterher fest, dass einem das ganze Dorf folgt. Manchmal lustig. Manchmal einfach zu viel.
In der Motorrickshaw darauf warten, dass es weiter geht – Zeit genug um alle im Umkreis zu versammeln. Ungeniert werden die Wesen auf der Rückbank beäugt.
Am Bahnhof fragen welchen Bus man nehmen muss – alle, also wirklich alle (wollen sofort helfen und) bilden dazu eine riesige Traube um uns.
Auf einer Bank in der Sonne sitzen um ein bisschen zu entspannen? So viele Leute. Schatten.
Im Bus einem kleinen Jungen 2 Bananen abkaufen wollen, 7 Taka, nur 10 gehabt – 10 gegeben. Passt schon! Sehr seltsamer Blick vom Kleinen, fast traurig abgezogen… Schlechtes Gewissen, weil ich nicht mehr als zwei Bananen haben wollte, aber eigentlich wollte ich ja nichtmal die. Der Kleine kommt kurze Zeit später und drückt mir eine dritte Banane in die Hand. Nun fragwürdige Blicke auf meiner Seite. Ich will keine dritte. Ja! aber du hast die Dritte bezahlt!
Versuche ihm nochmal Geld zu geben scheitern. Ein freundliches Lächeln stellt ihn dann zufrieden.
Mit dem Bus nach Chittagong gefahren und erleben müssen, was wir schon im Lonely Planet lesen konnten: von Hotel zu Hotel gelaufen, sich wundern, komisch, sonst freut sich jeder über uns, diesmal läuft bei unserem Anblick jeder weg. man, echt, keine Englischkenntnisse? Was werd ich wohl wollen?! ein Zimmer, 2 Betten?! immer ungeduldiger und energischer jede vorhandene Klingel gedrückt, hinterher gelaufen, aber keine Chance; ein netter Mann sieht unsere verzweifelten Blicke wegen stetig hereinbrechender Dunkelheit, lächelt uns an und erklärt: „women are not allowed“ – wir sollen es in einer anderen Ecke versuchen. Ok. Ich mag den Ort nicht.
Im nächsten Hostel der Gewohnheit nachgegangen und handeln wollen, aber schnell aufgegeben. Schließlich dürfen wir rein und das reicht. Dass er „gewonnen“ hat freut ihn so sehr, dass er uns das Zimmer doch zum besseren Preis gibt.
Auf dem Weg zum Essen rumpelt mir etwas gegen den Knöchel und tippelt mit viel zu kleinen Füßen für verhältnismäßig viel zu großem Gewicht über die Füße – ein dementsprechend langer Rattenschwanz an zerzaustem und dreckigem Hintern verschwindet unterm nächsten Auto.
Klar, krank geworden.
Nach Cox´s Bazar an den Strand… Strandtuch und Bikini? Nein.
Fast 3 Monate sind rum.
Es reicht.
Nix Visum verlängern – Flug umbuchen!
Heim. Auskurieren.
Das dauert.
Dauert lange.
Aber überlebt… 😉
Kamera: Sabine Decker, Julia Bergmeister.
Schnitt: Julia Bergmeister
© 2012 Julia Bergmeister
bei Regen im Tuk Tuk sitzen und lachen, weil es ultra komisch aussieht, wenn Kakerlaken scheinbar genüsslich im steigenden Wasser auf der Straße ruckartig große Züge schwimmen… sich gleichzeitig ekeln, weil man ein paar Häuser weiter mit den Flip Flops in eben dieses knöcheltiefe Wasser steigen muss um durch die enge Gasse zum Hauseingang zu kommen…
sich auf Nachtruhe freuen? um 4 wird von der Moschee zum Gebet aufgerufen. und die ist nebenan – im Rohbau – warum? weil man in Bangladesch erst dann Steuern auf ein Gebäude zu zahlen hat, wenn dieses fertig ist.
Hier findest du die Bilder von der Hochzeit und einer Gerberei
erzählt im Mai 2015
…dann, als das mit dem Rattenschwanz der ganzen Krankheiten vollkommen ausgestanden war…